Der Nationalrat will das internationale Engagement der Schweiz nicht ausbauen. In mehreren Anträgen wurde gefordert, die Rahmenkredite für die Internationale Zusammenarbeit (2021-2024) aufzustocken. Der Rat lehnte sie alle ab.
Medienmitteilung der entwicklungspolitischen Dachorganisation Alliance Sud, die von Helvetas und anderen grossen Schweizer Hilfswerken getragen wird.
Bewilligt hat der Nationalrat die vom Bundesrat veranschlagten Rahmenkredite in der Höhe von 11.25 Milliarden Franken. Das führt voraussichtlich zu einer APD-Quote (aide publique au développement) von 0.46% des Bruttonationaleinkommens, wenn man wie der Bundesrat auch die Ausgaben für Asylsuchende in der Schweiz zur Entwicklungszusammenarbeit zählt. Der von der Schweiz anerkannte internationale APD-Richtwert liegt bei 0.7%. Länder wie Schweden, Norwegen, Dänemark oder Grossbritannien übertreffen diesen Wert deutlich. Minderheitsanträge, die diesen Zielwert auch für die Schweiz anvisierten, wurden abgelehnt.
Die Coronakrise trifft alle, doch sie trifft nicht alle gleich. Sie hat massive soziale, wirtschaftliche und politische Auswirkungen in den ärmsten Ländern der Welt. So rechnet die Weltbank bis Ende Jahr mit bis zu 60 Millionen Menschen, die in extreme Armut abrutschen werden; die Zahl der Hungernden wird sich von 130 Millionen auf 265 Millionen Menschen verdoppeln. Die oft massiv verschuldeten Länder des Südens werden diese Krise nicht alleine stemmen können.
Verschiedene internationale Organisationen fordern die Industrieländer auf, ihre Entwicklungsausgaben zu erhöhen. Eine Gruppe von 20 renommierten ÖkonomInnen um Nobelpreisträger Joseph Stiglitz warnt in einem offen Brief davor, dass die Folgen dieser Krise auch den Westen empfindlich treffen werden. Um das zu verhindern, sollten die Industrieländer jetzt zusätzliche Entwicklungsgelder zur Verfügung stellen.
Der Nationalrat hat es verpasst, ein dringend nötiges Zeichen für die internationale Solidarität zu setzen. Nicht nur bedürftige Menschen vor Ort hätten davon profitiert, eine andere Entscheidung der grossen Kammer hätte Beispielscharakter gehabt für andere Industrieländer, sich ebenfalls für eine gerechte, nachhaltige und stabile Welt ohne Hunger und Armut einzusetzen. Es ist nun am Ständerat, diesen problematischen Entscheid der grossen Kammer zu korrigieren.