EU-Staaten und EU-Parlament haben sich gestern auf die Einführung eines Public Country-by-Country-Reporting (pCbCR) geeinigt. Innerhalb der EU-Länder werden Gewinnverschiebungen für multinationale Konzerne nun riskanter. Umso wichtiger, dass sich nun auch der Steuerfluchthafen Schweiz zu mehr Transparenz verpflichtet.
Medienmitteilung der entwicklungspolitischen Dachorganisation Alliance Sud, die von Helvetas und anderen grossen Schweizer Hilfswerken getragen wird.
Die Idee eines pCbCRs ist, dass multinationale Konzerne in öffentlich zugänglichen Berichten u. a. Daten zu ihren Gewinnen, bezahlten Steuern und Beschäftigten veröffentlichen müssen. Und zwar aufgeschlüsselt nach sämtlichen Ländern, in denen die Konzerne Niederlassungen betreiben. Seit 2016 verlangen neue OECD-Regeln bereits, dass multinationale Konzerne mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro diese Daten den Steuerbehörden liefern müssen.
«Die Einigung auf EU-Ebene ist zwar ein kleiner Fortschritt, reicht aber noch lange nicht», sagt Dominik Gross, Fachverantwortlicher Steuer- und Finanzpolitik von Alliance Sud. Denn die EU verpflichte die Konzerne nämlich nur dazu, die Geschäftsdaten ihrer Niederlassungen in der EU zu veröffentlichen. «Alle Niederlassungen ausserhalb der EU können ihren Steueroptimierungspraktiken weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit nachgehen. Das ist vor allem auch für ärmere Länder des Südens, die jährlich 100 Milliarden Euro Steuereinnahmen durch Gewinnverschiebungen von Konzernen verlieren, eine enttäuschende Nachricht», so Gross.
Zwar müssen die Konzerne auch Daten von Niederlassungen in Steueroasen veröffentlichen, die auf der offiziellen Schwarzen Liste der EU stehen. Die gemäss «Tax Justice Network» undurchsichtigsten Steuerfluchthäfen für Konzerne stehen dort aber ironischerweise gar nicht drauf: Dazu gehören ver-schiedene britische Überseegebiete, aber auch europäische Tiefsteuergebiete wie die Niederlande, Luxemburg, Irland und eben die Schweiz.
Die Schweiz muss nachziehen
«Als Nicht-EU-Mitglied mitten in Europa könnte der Steuerfluchthafen Schweiz der grosse Nutzniesser der neuen Regel in der EU werden», sagt Gross. Da Konzerne mit Hauptsitz in der EU für ihre Tochtergesellschaften in der Schweiz keine Daten publizieren müssen, werden Gewinnverschiebungen zu diesen Schweizer Gesellschaften aus anderen (EU-)Ländern noch attraktiver, als sie das heute schon sind.
Insofern wäre es nur folgerichtig, wenn die EU von der Schweiz eine baldige Übernahme der neuen Transparenz-Regel fordert. Solange dies nicht geschieht, werden Schweizer Tochtergesellschaften im Vergleich mit ihren Konkurrenzstandorten beim Konzernsteuerdumping noch intransparenter. Konzerne in der EU könnten dabei auf die Idee kommen, weitere Verwaltungs- und Finanzierungseinheiten oder gleich ihren Hauptsitz in die Schweiz umzusiedeln.
Für weitere Informationen:
Dominik Gross, Fachverantwortlicher Steuer- und Finanzpolitik bei Alliance Sud, dominik.gross@alliancesud.ch, 078 838 40 79